Kinzigtäler Bollenhut bie der Kirnbacher Kurrende

Traditionsbewusst

Gabriele Aberle - zu Besuch bei der Bollenhutmacherin 

Den Bollenhut kennt jeder. Aber nicht alle wissen, dass er, das Symbol für den Schwarzwald, eigentlich nur für Gutach, Kirnbach und Hornberg- Reichenbach steht. Und es ihn mit roten und mit schwarzen Bollen gibt. 

Container
© Hans-Jörg Haas

Ihn herzustellen ist eine Kunst, Gabriele Aberle gehört zu den wenigen, die diese noch beherrschen. Vierzehn Bollen hat ein Hut, drei davon versteckt. Die Zahl ist auch schon das einzige, was Gabriele Aberles alten Beruf und ihre Berufung verbindet. Von der Bankkauffrau
zur Bollenhutmachern, das kam nicht von ungefähr. Die Oma Modistin, die Mutter Bollenhutmacherin, da half die junge Gutacherin nicht nur aus, sie erlernte so ganz nebenbei
das Handwerk. Als die Mutter zu betagt ist, hängt die Bankkauffrau ihren Job an den Nagel und macht sich als Bollenhutmacherin selbstständig. Das sind jetzt zehn Jahre und viele Bollenhüte her, denn sie sei die einzige in Gutach, so Aberle. Und gefragt ist der Hut nach wie vor in der Region, wo Brauchtum noch einen großen Stellenwert hat. Auch in der Familie von Gabriele Aberle. „Die Eltern lebten für die Tracht“, ihren Mann hat sie im Verein kennengelernt, geheiratet hat sie selbstverständlich in Tracht, „was heute allerdings schon eine Seltenheit ist“, weiß die Gutacherin. „Tracht ist heute vor allem Brauchtumspflege, die geschützt werden sollte“, so die Kreative, die das Bollenhutmachen vor allen Dingen aus diesem Grund betreibt. „Und natürlich, weil es Spaß macht und auch ein Stück weit mein Hobby ist“, ergänzt sie lächelnd.
Ehrlich, authentisch, überzeugend: Es macht Spaß, Gabriele Aberle zuzuhören, ihr bei der Arbeit zuzusehen, die ihr flink von der Hand geht, so, als ob es ein Leichtes wäre, mal schnell ein paar Wollkugeln auf einen Gipsrohling aufzubringen. 

14 Bollen – und aus dem Hut wird ein Bollenhut

 

Aller Anfang ist der Rohling. Früher noch selbst gemacht („ich habe noch einen!“) werden sie heute eingekauft. Wo genau? Das möchte Gabriele Aberle nicht verraten, Italien muss uns reichen. Im ersten Schritt wird der Rohling mit Holzleim eingestrichen, kommt dann auf die Form und muss einen Tag trocknen. Dranbleiben, so Gabriele Aberle, muss sie, wenn der Hut mit Gips eingestrichen wird. Auch er trocknet auf der Form, „nach zirka zwei Stunden kann ich nachkorrigieren, da er sich durch die Feuchtigkeit verzieht.“ Eine ruhige Hand braucht’s beim „Rendeln“, für die schwarzen Lackstreifen, oben und am Rand des Hutes. Nichts für die temperamentvolle Schwarzwälderin: „Früher hat’s der Vater gemacht, heute mein Mann“.

© Hans-Jörg Haas

Wer glaubt, Bollen sei Bollen beim Bollenhut, der irrt

 

Drei runde Bollen, der Rest oval: Wer glaubt, Bollen sei Bollen beim Bollenhut, der irrt. Auf den Façonschnitt kommt es an, ganz am Schluss, wenn die Bollen aufgenäht sind. Start ist vorne, „der erste Bollen muss sitzen, sonst wird das ganze nicht akkurat“, Gabriele Aberle ist streng mit sich selbst. Mit zwei Nadeln und Bindfaden „verknippelt“ (verknotet) sie geschickt Bollen für Bollen in Kreuzform und erzählt.

Zwei Kilogramm Wolle gehen gut in einen Bollenhut, der zwar öfter rote als schwarze Bollen trage, aber eben nicht immer rot sei. Auch wenn das, so sinniert sie, am schönsten aussieht. Sie erzählt, dass rote oder schwarze Bollen nichts mit dem Alter, sondern mit dem Stand zu tun haben: Ledige tragen rot, Verheiratete schwarz. Dass der Wechsel von Rot zu Schwarz gar nicht so einfach sei, verrät sie aus eigener Erfahrung und dass manche ihn erst spät schaffen. „Eine Schulfreundin trug noch mit 48 Jahren rot“ – wir haben nicht gefragt, ob dies zum Dauerzustand geworden ist... Ach ja, und runterfallen sollte der Hut nicht, das ist dann meist das Ende. Und
nass werden sollte er auch nicht, „er trocknet ewig“. 

Währenddessen ist sie bereits beim Schnitt angekommen. Mit der Friseurschere rückt sie den Wollfäden zu Leibe. Zentimeter für Zentimeter. Korrigiert, schnippelt ab, nicht zu viel und nicht zu wenig. Das braucht ein gutes Auge und das Nachbessern viel Geduld, denn „Wolle arbeitet wie Holz“.

Zwei bis drei Stunden sind es gut, bis alle Bollen aufgenäht sind, eine Woche braucht sie, bis ein Hut fertig ist. Gemacht für Trachtenträgerinnen aus Gutach und Umgebung, manches Mal auch für die Wand oder die Vitrine der Einheimischen, so wie bei ihr, wo schon über 35 Jahre der Konfirmationshut der Oma die Wand schmückt. Wer keinen Bezug zum Brauchtum hat, den Hut als Mitbringsel oder Fasnachtsspaß haben möchte, der stößt bei Gabriele Aberle auf taube Ohren. Als Mitbringsel aus dem Urlaub und zur Erinnerung gibt's bei ihr kleine Bollenhüte.
Übrigens bei ihr so exklusiv wie die großen. Denn auch die kleinen sind alle „handmade by Gabriele Aberle".

 

Text: Gudrun Schillack, Fotos: Hans-Jörg Haas

Gabriele Aberle in ihrer Tracht mit schwarzem Bollenhut - Bild: Hans-Jörg Haas
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